Ein chinesischer Freund aus Studienzeiten, Weiping, hatte uns zur Hochzeitsfeier in seiner Heimatstadt Yantai eingeladen.
Yantai (烟台) liegt an der Nordostküste Chinas in der Provinz Shandong (山东) und besitzt mit ca. 7 Mio. Einwohnern den größten Fischereihafen der Provinz.
Mit gemischten Gefühlen sah ich der Chinareise entgegen. Vor 12 Jahren hatte ich in China ein Auslandsjahr im Rahmen meines Studiums absolviert. Der Smog, das Gedränge der Menschenmassen und der raue Umgang der Chinesen untereinander waren mir noch unangenehm in Erinnerung geblieben. Gleichzeitig freute ich mich auf die unglaublich vielfältige Küche, auf Gerichte, die ich seit Jahren nicht mehr gegessen hatte und natürlich auf die chinesische Hochzeit.
Die Informationen, die vorab von Weiping durchsickerten, klangen spannend und furcht einflößend zugleich. Es sollten 300 Gäste kommen, davon 30 Gäste aus dem Ausland. Auf der Einladung stand, dass die Feierlichkeiten bereits um 7 Uhr morgens (!) beginnen sollten. Weipings Eltern hatten ein ganzes Hotel für die Gäste reserviert und einen Shuttlebus organisiert, der die Gäste zwischen den unterschiedlichen Locations hin- und herfahren sollte.
Ankunft in Yantai
Der Direktflug von München brachte uns sicher nach Shanghai, wobei sich der Weiterflug nach Yantai zu einer nervlichen Zerreißprobe gestaltete, da der Flug auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Gedanklich bereiteten wir uns schon auf eine Übernachtung im Flughafen vor. Drei Stunden später durften wir endlich einsteigen und kamen spätnachts völlig erschöpft in Yantai an. Überraschenderweise empfing uns Weiping am Ausgang. Wir freuten uns riesig.
Dankbar und erleichtert ließen wir uns zum Hotel fahren und gingen noch nachts um 3 Uhr in ein 24h-Lokal mit Seafood und Spießen. Das liebte ich an China! Man bekam rund um die Uhr etwas zu essen 😛
Am nächsten Tag (dem Tag vor der Hochzeit) erhielten wir von Weiping einen ausgedruckten Programmablauf und lernten endlich die Braut kennen.
Viivi kam aus Chongqing (重庆), der größten Stadt der Welt im Südwesten Chinas mit einer Bevölkerung von 30 Mio. Menschen.
Sie hatte in Finnland studiert, sodass sie als westlichen Namen eine finnische Adaption gewählt hatte (Doppel-i in der ersten Silbe). Auch finnische Gäste waren zur chinesischen Hochzeit angereist.
Der Programmablauf füllte zwei ganze DIN A4-Seiten. Wer wollte, konnte schon ab 4 Uhr morgens an den Hochzeitsvorbereitungen teilnehmen.
Chinesische Hochzeit – Eröffnung mit Löwentanz
Da 4 Uhr den meisten Gästen zu früh war, verabredete sich die Mehrheit für 6:45 Uhr im Foyer, um gemeinsam zum Programmpunkt bei Weiping’s Eltern aufzubrechen. Dank Jetlag wachten wir schon um 4 Uhr morgens auf, sodass die frühe Morgenstunde gar nicht schlimm war.
Vor Weiping’s Elternhaus bzw. Wohnung in einem chinesischen Wohnblock hatten sich bereits Trommlerinnen im roten Kostüm versammelt. Um halb 8 Uhr fingen die Trommlerinnen an zu spielen und im Anschluss daran wurde ein Feuerwerk mit Chinaböllern gezündet, das die bösen Geister vertreiben sollte. Mitleidig dachte ich an die Nachbarn, die am Samstag so früh am Morgen dieses Spektakel mitmachen mussten. In Deutschland wäre so etwas niemals erlaubt, dachte ich belustigt.
Mit einem Löwentanz wurde das Brautpaar, das traditionell ganz in rot gekleidet war, gemeinsam mit den Trauzeugen begrüßt. Nachdem sie hinter Kameras und Blitzlichtgewittern verschwanden, ging es weiter zur Wohnung der Eltern. Im engen Treppenhaus standen die Gäste über mehrere Stockwerke hin Schlange, um dem Brautpaar zu gratulieren und die Geschenke zu überreichen.
Als ich oben ankam und mich durch die Menge drängelte, konnte ich einen Blick ins Schlafzimmer erhaschen, wo das Brautpaar traditionelle Bräuche durchlaufen musste.
Weiping bezog ein Kissen und musste darüber steigen. dann wurden Nüsse in die Luft geworfen und Sprüche aufgesagt. Es wurde soviel gefilmt, fotografiert und gedrängelt, dass es mir zu anstrengend wurde, die Zeremonie weiter zu beobachten. Ich bewunderte das Brautpaar sehr für die Geduld und die gute Laune, die es trotz des vielen Trubels immer noch ausstrahlte.
Santi und ich überreichten Weiping – wie es üblich war – ein Hongbao (roter Umschlag mit Geld) als Geschenk und den Eltern von Weiping, die ja den ganzen Spaß finanzierten, Mitbringsel aus Bayern.
Danach gab es zum Frühstück selbstgemachte Jiaozi, die die Familie seit heute früh vorbereitet hatte. Sie schmeckten köstlich!
Chinesische Hochzeit – Kirchliche Trauung
Nun war es bereits 9 Uhr und es ging mit dem Shuttlebus zur nächsten Station, zu einer Kirche. Inzwischen brannte die Sonne heiß vom Himmel herunter und wir schwitzten. Da wir erst draußen warten mussten, nutzen wir die Zeit für ein weiteres Fotoshooting mit dem Brautpaar. Weiping trug nun einen schwarzen Smoking, während Viivi ein klassisches weißes Brautkleid mit Schleier trug.
Normalerweise fühlte ich mich in den kalten und kargen Kirchen in Deutschland nicht besonders wohl, aber diese Kirche war klein, hell und gemütlich. Es gab sogar Sitzkissen! Ein chinesischer Pfarrer und ein Chor erwarteten uns. Die Zeremonie ähnelte die der deutschen kirchlichen Trauung sehr, nur dass alles auf Chinesisch stattfand und die Stimmung viel lockerer war. Klatschen für den Chor und Lachen zwischendrin waren erlaubt.
Nach der kirchlichen Trauung wechselten wir wieder die Location und fuhren zu einem großen Seafood-Restaurant, das wohl extra für große Feierlichkeiten ausgerichtet war.
Finale chinesische Hochzeitsfeier am Mittag
Ein riesiger aufgeblasener Bogen in pink und gold, der wohl eine Krone mit einem Drachen darstellen sollte, zierte den Haupteingang. Das Ding war sicher 10m breit und 4m hoch. Eine Hüpfburg war nichts dagegen. Ich fragte mich, wie lange man wohl gebraucht hatte, um es vollständig aufzupumpen…
Die gleichen Trommlerinnen und Löwentänzer von heute morgen hatten sich auch schon vor dem Eingang postiert.
Als das Brautpaar ankam, ging die Trommel- und Löwentanzshow wieder los.
Das Brautpaar marschierte langsam zum Eingang und stellte sich vor den aufgeblasenen Riesendrachenbogen und trommelte mit, bis es in das Restaurant verschwand, um sich erneut umzuziehen.
Es sollte nun die Hauptzeremonie am Mittag folgen, die für Chinesen am wichtigsten war. Viivi und Weiping wechselten ihre Kleidung wieder in die traditionelle chinesische Tracht in rot.
Vor dem Gästesaal suchten wir auf einer riesigen Übersichtstafel unsere Namen, um heraus zu finden, an welchem Tisch wir sitzen sollten. Andere chinesische Gäste halfen uns, zum richtigen Tisch zu kommen. Die Vorhänge im Saal waren zugezogen und rote Scheinwerfer beleuchteten den riesigen Raum, der auf 300 Gäste ausgerichtet war. Der Raum war sicher 6m hoch und in der Mitte ragte fast bis zur Decke eine professionelle Schwenkvorrichtung für die Kamera in die Höhe, die während der ganzen Feierlichkeit im Einsatz war.
Ein Moderator stand auf der Bühne und führte durch das Programm, während zur gleichen Zeit bereits die Vorspeisen aufgetischt wurden. Uns lief das Wasser im Munde zusammen. An jedem Tisch standen zwei Flaschen Reisschnaps mit 52 prozentigem Alkoholgehalt und ein Kasten Tsingtao-Bier, worüber sich besonders die männlichen Gäste freuten und sich schon die Hände rieben. Es ging das Gerücht umher, dass pro Gast eine Flasche Schnaps eingeplant sei.
Auf der Bühne spielte sich die traditionelle chinesische Zeremonie ab. Das Brautpaar musste die Eltern bzw. Schwiegereltern ehren und sich vor ihnen hinknien und Tee trinken, während sie dafür den elterlichen Segen erhielten.
Nach dem offiziellen Teil fing der Moderator an, schwulstige chinesische Liebeslieder zu singen. Auf unserem Esstisch stapelten sich Delikatessen wie Seegurken, Hühnersuppe, Riesengarnelen, gedämpfter Ingwerfisch, Muscheln, verschiedene Gemüsegerichte, sogar ein ganzer geschmorter Schweinekopf (!) wurde serviert. Ständig wurden neue Gerichte serviert, obwohl der Tisch noch voll war, sodass die Gerichte sogar schon zweistöckig auf dem Tisch gestapelt werden mussten. Mit meinem vollen Bauch konnte ich kaum noch atmen.
Der letzte Show-Act bestand aus einem Maskenspiel aus der Sichuan-Oper. Der Künstler wechselte in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit seine Masken ohne sein Gesicht zu zeigen, dass wir nur so staunten. Als er am Ende die Maske abzog und sein Gesicht freigab, machten mein Freund Santi und ich große Augen, denn der Künstler sah aus wie Jackie Chan, mein Idol aus Kindheitstagen! Wow, wurde sogar Jackie Chan engagiert? Die Ähnlichkeit war verblüffend, aber der Mann sah zu jung aus, um der echte Jackie Chan sein zu können. Wir lachten und sprachen Weiping später darauf an, dem die Ähnlichkeit aber gar nicht mal aufgefallen war.
Weiping, Viivi und deren Eltern gingen an jedem Tisch vorbei, um mit den Gästen anzustoßen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie an unserem Tisch ankamen. Weiping sah mittlerweile etwas erschöpft aus. Kurz danach wurden die Tische abgeräumt und wir setzten uns wieder in den Shuttlebus.
Die offizielle Hochzeitsfeier war vorbei und die chinesischen Gäste gingen nach Hause. Für die ausländischen Gäste wurde noch eine Sightseeing-Tour zu verschiedenen Parkanlagen an der Küste angeboten und am Abend gab es bis 21 Uhr ein reichhaltiges Buffet in einem 5-Sterne-Hotel, das den endgültigen Abschluss der grandiosen chinesischen Hochzeit bildete.
Als wir mit dem Shuttlebus zurück zum Hotel fuhren, wollten viele der Gäste noch nicht ins Bett gehen. Weiping, Viivi, deren Eltern und einige deutsche Gäste standen noch vor dem Hotel, um zu das Fest ausklingen zu lassen. Weiping und Santi trieben noch einen Kasten Bier auf. Während ich mich mit vollem Magen verabschiedete, um schlafen zu gehen, ging die „Party“ vor dem Hotel noch weiter.
Zufrieden und völlig beeindruckt von dem riesigen Spektakel, das geboten wurde, schlief ich ein.
Am nächsten Morgen stand eine Flasche des hochprozentigen Schnaps‘ auf unserem Tisch im Hotel. Santi eröffnete mir, dass Weiping’s Eltern sich so über die Geschenke aus Deutschland gefreut hatten, dass sie es sich nicht nehmen lassen wollten, uns von dem Hochzeits-Reisschnaps eine Flasche zu schenken.
Das Souvenir wird uns noch lange an diese chinesische Hochzeit der Superlative erinnern.
Danke an das tolle Hochtzeitspaar Weiping und Viivi!
Liebe Chan,
du schreibst mir aus der Seele – ich habe eben das ganze Fest nochmal erlebt – hast du toll beschrieben. Da bekommt man Lust gleich wieder hinzufliegen 😉
Tolle Bilder und Filme!
Viele Grüße
Claudi
Vielen Dank Chan, für deine detailierte Beschreibung, Fotos und Filme. Ein einzigartiges Spektakel und viele Leckereien, die ich gerne verkosten würde. Ich habe mich über diesen Einblick in die Chinesische Kultur sehr gefreut. Nochmal Danke und vielleicht auf ein baldiges Treffen. Lieber Gruß, Gerhard
Hallo Gerhard,
ja, das Erlebnis war unvergesslich. Ich bin immer noch total geflasht. Dafür hat sich die Reise nach China wirklich gelohnt.
Bis bald und liebe Grüße, Chan